Jahresbericht 2004

ai Jahresbericht 2004

TÜRKEI
Berichtszeitraum 1. Januar bis 31. Dezember 2003

Amtliche Bezeichnung: Republik Türkei
Staatsoberhaupt: Ahmet Necdet Sezer
Regierungschef: Recep Tayyip Erdoğan (löste im März Abdullah Gül ab)
Todesstrafe: für alle Straftaten abgeschafft
Statut des Internationalen Strafgerichtshofs: nicht ratifiziert
UN-Frauenrechtskonvention und Zusatzprotokoll: ratifiziert

Die Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) brachte weitere Gesetzesreformpakete zum Schutz der Menschenrechte, bekannt als Harmonierungsgesetze, auf den Weg, deren erklärtes Ziel in der Erfüllung der Kriterien für den Beitritt zur Europäischen Union bestand. Die Umsetzung der Reformen verlief unterschiedlich. Noch war es zu früh, um eine wesentliche Verbesserung der Menschenrechtslage infolge der Gesetzesänderungen erkennen zu können. Anhaltende Berichte über Folterungen und Misshandlungen im Polizeigewahrsam und über die Anwendung exzessiver Gewalt gegenüber Demonstranten gaben weiterhin Anlass zu großer Sorge, wenn auch der Einsatz einzelner Foltermethoden zurückgegangen zu sein schien. Wer versuchte, sein Recht auf Teilnahme an friedlichen Demonstrationen oder auf Äußerung abweichender Meinungen zu bestimmten Themen auszuüben, sah sich weiterhin strafrechtlicher Verfolgung ausgesetzt.

Inhaltsverzeichnis

Hintergrundinformationen

Am 1. März lehnte das Parlament die Stationierung von US-Truppen auf türkischem Territorium ab, womit die Türkei signalisierte, dass sie keine allzu intensive Beteiligung am Irak-Krieg anstrebte.
Eine von der neuen Regierung der Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) vorgelegte Verfassungsänderung ebnete dem Parteivorsitzenden der AKP, Recep Tayyip Erdogan, mithilfe einer Nachwahl in der Provinz Siirt den Weg ins Parlament. Am 14. März löste er Abdullah Gül als Ministerpräsidenten ab.
Am 11. Januar, 4. Februar, 19. Juli und 7. August traten vier Gesetzesreformpakete in Kraft. Die Änderungen sahen die Abschaffung von Vorschriften und Praktiken vor, die der Straffreiheit für Folterungen und Misshandlungen Vorschub geleistet hatten. Für Personen, in deren Fällen der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte zu der Feststellung gelangt, dass sie durch Urteile türkischer Gerichte in ihren Menschenrechten aus der Europäischen Menschenrechtskonvention verletzt worden sind, wurde die Möglichkeit eines Wiederaufnahmeverfahrens eingeführt. Artikel 8 des Anti-Terror-Gesetzes, der die Verbreitung separatistischer Propaganda unter Strafe gestellt hatte, wurde abgeschafft und Einschränkungen bei der Ausstrahlung von Sendungen in anderen Sprachen als der türkischen durch Privatfernsehsender oder Radiostationen wurden aufgehoben. Zudem wurde die Haft ohne Kontakt zur Außenwelt abgeschafft. Vor dem Staatssicherheitsgericht angeklagten Personen wurde das Recht auf sofortigen Zugang zu einem Rechtsbeistand zugestanden. Zu erwähnen sind außerdem Änderungen beim Aufbau und Status des Nationalen Sicherheitsrates.
Andere Gesetze wie das Vereinsgesetz, das Pressegesetz, das Gesetz über politische Parteien, das Gesetz über Zusammenkünfte und Demonstrationen sowie das Gesetz über Stiftungen wurden ebenfalls überarbeitet. Die Reformen sahen jedoch lediglich die Änderung einzelner Paragraphen vor und nicht eine grundlegende Neufassung der Gesetze, wie Anwälte und Menschenrechtsverteidiger es gefordert hatten. Das Fehlen eines gesamtheitlichen Ansatzes hatte zur Folge, dass die in den abgeänderten oder aufgehobenen Paragraphen des Strafgesetzbuches und des Anti-Terror-Gesetzes enthaltenen Bestimmungen in ähnlicher Form in anderen Gesetzen beibehalten worden sind. amnesty international äußerte die Befürchtung, dass sich Staatsanwälte jetzt auf diese Gesetze berufen könnten.
Infolge des neuen Gesetzes über die Möglichkeit eines Wiederaufnahmeverfahrens fand am 28. März der erste Verhandlungstag im Wiederaufnahmeprozess gegen Leyla Zana, Hatip Dicle, Orhan Dogan und Selim Sadak statt, vier seit 1994 inhaftierte ehemalige Abgeordnete der Demokratischen Partei (DEP). Nach Meinung von amnesty international sind die vier gewaltlosen politischen Gefangenen wegen ihrer gewaltfreien politischen Aktivitäten im Zusammenhang mit der Kurdenfrage strafrechtlich verfolgt worden. Im Anschluss an die erste Verhandlung fanden in der Folge einmal monatlich ganztägige Verhandlungen statt. amnesty international und andere internationale Beobachter äußerten ernsthafte Zweifel an der Fairness des Prozesses und wandten sich gegen die fortdauernde Inhaftierung der vier ehemaligen Abgeordneten.
Aufgrund einer Entscheidung des Verfassungsgerichts vom 13. März wurde die prokurdische Demokratische Volkspartei HADEP verboten.
Am 23. September ratifizierte die Türkei den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte sowie den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte.
Am 25. September unterzeichnete die Türkei die Konvention von Ottawa über das Verbot von Anti-Personen-Minen. Im Berichtszeitraum verloren mindestens 15 Menschen, darunter einige Minderjährige, durch Landminen oder zurückgelassenen Sprengstoff in den südöstlichen und östlichen Provinzen des Landes ihr Leben, viele weitere erlitten Verletzungen.
Am 15. November wurden auf die Synagogen Neve Salom und Beth Jsrail in Istanbul Bombenanschläge verübt, bei denen 26 Menschen getötet und mehrere hundert verletzt wurden. Bei den Tätern soll es sich um militante Islamisten gehandelt haben. Am 20. November wurden das britische Konsulat und die Zentrale der HSBC-Bank in Istanbul das Ziel von Sprengstoffanschlägen, bei denen 31 Personen ums Leben kamen und wiederum Hunderte weitere Menschen verletzt wurden.

Folterungen und Misshandlungen

Folterungen und Misshandlungen im Polizeigewahrsam stellten nach wie vor ein gravierendes Problem dar. Zwar trafen weit weniger Berichte über Folterungen durch Elektroschocks, die Anwendung der falaka (Schläge auf die Fußsohlen) und das Aufhängen an den Armen ein, doch wurden nach vorliegenden Meldungen Häftlinge weiterhin und verbreitet dadurch gequält, dass man auf sie einprügelte, sie sich nackt ausziehen mussten, sie sexuell belästigt wurden, Schlaf-, Nahrungs- und Flüssigkeitsentzug ausgesetzt waren und nicht die Toilette aufsuchen durften.
Einer der Gründe für die Fortdauer von Folterungen und Misshandlungen in der Haft lag unter anderem darin, dass Beamte mit Polizeibefugnissen sich nicht an die Vorschriften hielten, denen zufolge sie beispielsweise verpflichtet sind, festgenommene Personen über ihre Rechte zu belehren und ihnen den Zugang zu einem Rechtsbeistand zu ermöglichen. Rechtsanwälte berichteten von Fällen, in denen Polizeibeamte ihnen mitteilten, ihr Mandant wolle sie nicht sehen, ohne ihnen einen Beweis für die Wahrheit dieser Auskunft zu liefern. Zum Fortbestand der Folter trug außerdem bei, dass Folterungen und Misshandlungen in ärztlichen Berichten nicht ausreichend dokumentiert wurden und Gerichte unter Folterungen erzwungene Geständnisse als Beweismittel anerkannten.
Es war weit verbreitet, dass Polizisten bei Demonstrationen in unverhältnismäßiger Weise Gewalt anwandten.
TV-Nachrichtensendungen zeigten regelmäßig Szenen, bei denen Demonstranten von Beamten mit Polizeibefugnissen geschlagen, getreten und misshandelt wurden. Von den Gewaltübergriffen auf Demonstrationen waren vor allem Anhänger der legalen prokurdischen Demokratischen Volkspartei HADEP, linksgerichtete Parteien, Gewerkschafter, Studenten und Kriegsgegner betroffen.
Besondere Beunruhigung riefen die zahlreichen Vorwürfe von Personen hervor, die angaben, von Polizisten in Zivil entführt und anschließend gefoltert oder misshandelt worden zu sein. Es war fast unmöglich, Aufklärung in diese nicht registrierten Inhaftierungen zu bringen. Die dafür Verantwortlichen genossen weiterhin Straffreiheit.
Der 16-jährige S. T. berichtete, dass er am 26. November in der im Süd osten der Türkei gelegenen Stadt Siirt auf der Straße von Polizisten in Zivil entführt worden sei. Die Beamten stülpten ihm einen Sack über den Kopf und zerrten ihn in ein Auto. Nach seinen Angaben wurde er an Händen und Füßen gefesselt mit Schlägen auf den Kopf traktiert, bis er das Bewusstsein verlor. Der Junge erklärte, dass er auf brutale Weise verprügelt und mit einem Gewehr bedroht worden sei, das man an seinen Kopf hielt, um von ihm Informationen über den Aufenthaltsort seines Bruders zu erzwingen. Später ließen ihn die Polizisten auf einem Friedhof außerhalb der Stadt zurück.
Gülbahar Gündüz, eine in der Istanbuler Niederlassung der HADEP in Frauenfragen engagierte Aktivistin, berichtete, dass sie am 14. Juni auf der Straße in Istanbul von Polizeibeamten in Zivil verschleppt worden sei. Die Entführer verbanden ihr die Augen und fuhren sie mit einem Auto zu einem ihr unbekannten Gebäude, wo sie vergewaltigt und anderweitig gefoltert wurde. Obwohl ein Gutachen des Rechtsmedizinischen Instituts den Nachweis der Folter erbrachte, kam es zur Einstellung einer internen polizeilichen Untersuchung.

Straflosigkeit für Übergriffe seitens der Polizei

Durch das am 11. Januar in Kraft getretene Reformpaket wurde die Möglichkeit ausgeschlossen, gegen Polizisten wegen Folter und Misshandlung verhängte Freiheitsstrafen in Bewährungs- oder Geldstrafen umzuwandeln. Das neue Gesetz wurde allerdings nicht rückwirkend angewandt, was zur Folge hat, dass Gerichtsverfahren und Strafen nach wie vor ausgesetzt wurden – in einigen Fällen auf der Grundlage früherer Gesetze.
Am 18. Februar wurde der Prozess gegen den als »Schlauch« bekannten Polizeiinspektor Süleyman Ulusoy unter Berufung auf ein im Dezember 2000 verabschiedetes »Amnestiegesetz« (Gesetz Nr. 4616 über die bedingte Aussetzung von Gerichtsverfahren und Urteilen für Straftaten, die vor April 1999 begangen worden sind) ausgesetzt. Das Fernsehen hatte im Jahr 2000 einen Videofilm ausgestrahlt, der ihn dabei zeigte, wie er in der Polizeizentrale Beyoglu in Istanbul mit einem Schlauch auf Transvestiten einschlug. Süleyman Ulusoy befand sich weiterhin im aktiven Polizeidienst in Istanbul.
Im Juni wurde gegen zwei Polizeibeamte wegen der Misshandlung von Veli Kaya, einem Studenten, der am 6. November 2002 an einer Demonstration teilgenommen hatte, eine sechsmonatige Freiheitsstrafe auf Bewährung verhängt. Im Fernsehen war zu sehen gewesen, wie Veli Kaya aus einem Lagerhaus in der Nähe der Filiale der Seker Bank in Ankara gerettet wurde. Dort war er von Polizisten geschlagen worden. Der Fall wurde an den Obersten Gerichtshof weitergeleitet.
Durch die Reformen vom 11. Januar wurde außerdem eine Bestimmung abgeschafft, die vorgesehen hatte, dass die Einleitung von Ermittlungen zur Aufklärung von Vorwürfen über polizeiliche Folterungen und Misshandlungen der vorherigen Genehmigung eines leitenden Polizeibeamten bedarf. Diese Reform wurde allerdings in einigen Fällen ignoriert.
Am 25. Mai wurden Ali Ulvi Uludogan und sein Bruder Ilhan Uludogan in Haft genommen, weil sie im Bezirk Kulu in der Provinz Konya über eine rote Ampel gefahren waren. Sie sollen auf der Polizeistation Kulu geschlagen, getreten und verbalen sexuellen Belästigungen ausgesetzt worden sein. Am 8. August entschied der kaymakam von Kulu, ein lokaler Staatsbediensteter, keine Untersuchung der von den beiden erhobenen Folter- und Misshandlungsvorwürfe zuzulassen. Damit verstieß er gegen die Reformgesetze vom 11. Januar.
Mit dem Reformpaket vom 7. August wurde Gerichtsverfahren zur Ahndung von Folterungen und Misshandlungen Priorität eingeräumt. Gemessen an der Zahl der gegen Angehörige der Sicherheitskräfte wegen Folterungen und Misshandlungen erstatteten Anzeigen blieb die Verurteilungsquote allerdings weiterhin extrem niedrig.
Das Gerichtsverfahren gegen Polizeibeamte, die angeklagt waren, Fatma Deniz Polattas und die 16 Jahre alte N. C. S. auf der Polizeiwache in Iskenderun im März 1999 gefoltert zu haben, wurde wiederholt verschoben, da nach wie vor Gutachten des Rechtsmedizinischen Instituts über die von den Frauen erlittenen Folterungen ausstanden.
In einigen Fällen wurden Schritte eingeleitet, die für Menschenrechtsverletzungen Verantwortlichen vor Gericht zu bringen.
Am 4. April bestätigte das Berufungsgericht im Fall der »Jugendlichen von Manisa« in letzter Instanz die gegen zehn Polizeibeamte verhängten Freiheitsstrafen in Höhe von fünf bis elf Jahren. Die Polizisten waren für schuldig befunden worden, 16 Jugendliche im Dezember 1995 gefoltert zu haben. Der Fall, über den in den Medien sehr viel berichtet worden war, hatte die Verjährungsfrist bereits überschritten. Weniger bekannte Fälle wären aus diesem Grund bereits eingestellt worden.
Am 22. September wurde Adil Serdar Saçan, der ehemalige Leiter der Istanbuler Abteilung für organisierte Kriminalität, Berichten zufolge vom Innenministerium aus dem Polizeidienst entlassen, weil er Folterungen unter seiner Amtsführung ignoriert hatte. Die Anklageschrift des Staatsanwalts enthielt auch Fälle, in denen er persönlich gefoltert hatte. Seine Entfernung aus dem Polizeidienst war eine wegweisende Entscheidung.

Schikanen gegenüber Menschenrechtsverteidigern

Mit Hilfe einer Reihe von Gesetzen und Bestimmungen schränkten die Behörden das Recht auf freie Meinungsäußerung ein und behinderten Menschenrechtsverteidiger in ihrer Arbeit. Öffentliche Erklärungen und friedliche Aktivitäten wurden auf der Grundlage verschiedener Paragraphen des Türkischen Strafgesetzbuches strafrechtlich verfolgt, beispielsweise wegen »Beleidigung« von Staatsorganen (Paragraph 159), »Unterstützung illegaler bewaffneter Organisationen« (Paragraph 169) oder »Anstachelung des Volkes zu Zwietracht« (Paragraph 312). Andere Aktivitäten wurden gemäß dem Gesetz Nr. 2911 über Zusammenkünfte und Demonstrationen, dem Gesetz über Vereinigungen, den Pressegesetzen und den Rechtsvorschriften zur öffentlichen Ordnung verboten oder bestraft. Einige Menschenrechtsverteidiger wurden inhaftiert. Die meisten Ermittlungs- und Gerichtsverfahren in solchen Fällen endeten allerdings mit Freisprüchen oder Haftstrafen, die zur Bewährung ausgesetzt oder in Geldbußen umgewandelt wurden. Dies bestärkte amnesty international in ihrer Einschätzung, dass Menschenrechtsaktivisten seitens der Justiz einem Muster von Einschüchterungsversuchen ausgesetzt waren.
Einige Personen schienen von den Schikanierungen besonders betroffen zu sein. Zu ihnen gehörten Alp Ayan, ein Psychiater der Türkischen Menschenrechtsstiftung TIHV in Izmir, Ridvan Kizgin, Leiter der Zweigstelle des türkischen Menschenrechtsvereins IHD in Bingöl, sowie Eren Keskin, Anwältin und eine der Gründerinnen eines Rechtshilfeprojekts für Frauen, die in der Haft sexuell missbraucht worden sind. Die verhängten Geldstrafen stellten für Vereine und deren Mitglieder eine hohe Belastung dar.
Am 12. November fand in Ankara die erste Verhandlung im Prozess gegen die TIHV statt. In der Absicht, neun Vorstandsmitglieder der Stiftung aus ihrem Amt zu entfernen, erhob die Staatsanwaltschaft den Vorwurf, die TIHV habe im Jahr 2001 gegen das Gesetz über Stiftungen verstoßen, indem sie mit internationalen Organisationen »kooperiert« habe, ohne vorher die Genehmigung des Ministerrats einzuholen. Außerdem hätte sie im Internet zu Spenden aufgerufen. Die angebliche »Kooperation« bestand in der Übersetzung von Berichten und deren Weitergabe an den UN-Sonderberichterstatter über außergerichtliche, summarische und willkürliche Hinrichtungen, den Türkei-Berichterstatter des Europäischen Parlaments und den Menschenrechtskommissar des Europarats.
Am 28. Oktober trat Özkan Hoshanli eine 15-monatige Haftstrafe an. In seiner früheren Funktion als Vorsitzender der Menschenrechtsgruppe Mazlum Der in Malatya hatte er versucht, im April und Mai 1999 Demonstrationen zu beobachten. Im Mai 2003 wurde er wegen Verstoßes gegen das Gesetz Nr. 2911 zu einer Freiheitsstrafe und einer Geldstrafe verurteilt, weil er nach Auffassung des Gerichts »an einer verbotenen Demonstration teilgenommen und Befehlen und Warnungen nicht Folge geleistet hatte, sodass die Demonstration schließlich von der Staatsgewalt habe aufgelöst werden müssen«. Bei Hoshanli handelte es sich um einen gewaltlosen politischen Gefangenen.
Nach Angaben des IHD sind seit Beginn des Jahres 2000 450 strafrechtliche Untersuchungen gegen den Verein eingeleitet worden. Im Vergleich dazu hatten in den 14 Jahren davor insgesamt 300 Ermittlungsverfahren stattgefunden. Am 6. Mai durchsuchte die Polizei die Zentrale und örtliche Zweigstellen des IHD in Ankara und konfiszierte Bücher, Berichte über Menschenrechtsverletzungen, Akten, Kassetten und Computer. Das Justizministerium erklärte gegenüber amnesty international, dass die Durchsuchung auf Anordnung des Staatssicherheitsgerichts in Ankara gemäß Paragraph 169 der türkischen Strafprozessordnung durchgeführt worden sei, da der IHD im Verdacht stehe, »eine Kampagne zur Unterstützung der terroristischen Vereinigung PKK/KADEK [Kongress für Frieden und Demokratie Kurdistans] zu koordinieren«.
Lehrer und Angestellte des Gesundheitswesens, die sich an menschenrechtlichen oder gewerkschaftlichen Aktionen beteiligt hatten, wurden vielfach disziplinarisch gemaßregelt, indem man sie an einen anderen Ort versetzte. Einige Studenten wurden von der Universität verwiesen oder vorübergehend vom Unterricht ausgeschlossen.

Gewalt gegen Frauen

Sexuelle Übergriffe und Belästigungen von Frauen im Polizeigewahrsam stellten nach wie vor ein gravierendes Problem dar. Im Februar veröffentlichte amnesty international einen Bericht zu diesem Thema.
Gewalt in der Familie – wozu auch so genannte Tötungen aus Gründen der Ehre zählten – rief ebenfalls große Besorgnis hervor. amnesty international unterstützte Frauengruppen in der Türkei bei ihrer Kampagne zu erwirken, dass geschlechtsdiskriminierende Paragraphen aus der überarbeiteten Fassung des türkischen Strafgesetzbuches gestrichen werden. Im Oktober nahm sich ein parlamentarischer Unterausschuss dieser Arbeit an.

Tötungen unter umstrittenen Umständen

Die Sicherheitskräfte und Dorfschützer sollen vorwiegend in den südöstlichen und östlichen Provinzen mehrere Zivilpersonen erschossen haben. Es bestand der Verdacht, dass viele von ihnen extralegal hingerichtet oder Opfer exzessiver Gewaltanwendung geworden sind.
Am 8. Juli wurden fünf Menschen im Dorf Pul in der Provinz Bingöl von unbekannten Angreifern getötet. Es gab widersprüchliche Angaben darüber, ob es sich bei den Tätern um Angehörige der staatlichen Sicherheitskräfte oder der PKK/KADEK gehandelt hat.
Berichte und Missionen von amnesty international
Berichte
Turkey: End sexual violence against women in custody! (ai-Index: EUR 44/006/2003) Concerns in Europe and Central Asia, January–June 2003: Turkey (ai-Index: EUR 01/016/2003)
Missionen
Im März, Juni und November besuchten Delegierte von amnesty international die Türkei, um vor Ort die Menschenrechtssituation zu recherchieren und als Prozessbeobachter an Gerichtsverhandlungen teilzunehmen.