Untersuchung über Bombardierung in Uludere fehlt Glaubwürdigkeit

AMNESTY INTERNATIONAL

Presseerklärung, 3 Februar 2012

AI Index: EUR 44/001/2012

Türkei: Untersuchung über Bombardierung in Uludere fehlt Glaubwürdigkeit

Amnesty International hat den türkischen Behörden geschrieben und seine ernste Besorgnis bezüglich der Untersuchung der Bombardierung von Zivilisten im Distrikt Uludere/ Qileban in der Provinz Şırnak im Südsoten der Türkei durch ein Kriegsflugzeug ausgedrückt.

In der Nacht des 28. Dezember 2011 hatte ein türkisches Kriegsflugzeug Bomben abgeworfen, die zum Tod von 34 Zivilisten führte, von denen 18 Minderjährige waren. Zuerst behaupteten die Behörden, sie hätten Mitglieder der bewaffneten Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) getroffen (ausgeschaltet). Bei dem Angriff wurde jedoch kein militärisches Ziel getroffen. Später gestanden die Behörden ein, dass zivile Schmuggler getroffen wurden, nachdem sie die Grenze vom benachbarten Irak aus überschritten hatten.

Amnesty International fordert die Behörden auf, eine sorgfältige, unabhängige und unparteiische Untersuchung durchzuführen und Wiedergutmachung zuzusichern, darunter Entschädigungszahlungen für die Opfer des Angriffs. Die Türkei hat nach internationalen Menschenrechtsgesetzen sicherzustellen, dass Vorwürfe von Menschenrechtsverletzungen unverzüglich, sorgfältig und effektiv durch unabhängige und unparteiische Institutionen durchgeführt werden, dass Wiedergutmachung einschließlich Entschädigungszahlungen für die Opfer geleistet wird und dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden.

Amnesty International begrüßt die Tatsache, dass finanzielle Wiedergutmachung für die Familienangehörigen von denjenigen, die bei dem Angriff getötet wurden, angeordnet (festgelegt) wurde. Die Organisation ist jedoch ernsthaft besorgt wegen anderer Entwicklungen seit der Ankündigung der Untersuchung, die Zweifel daran wecken, dass sie sorgfältig und unparteiisch durchgeführt wird und erfolgreich darin ist, festzustellen, was genau geschehen ist und wer dafür verantwortlich ist.

Erklärungen, die Zeugen der Bombardierung gegenüber Delegationen der Zivilgesellschaft einschließlich oppositioneller politischer Parteien, Anwaltskammern und einer Kommission von Menschenrechtsverteidigern abgegeben haben, haben darauf hingewiesen, dass die Soldaten wussten, dass die Leute am Tatort Zivilisten waren. Zeugenaussagen deuten auch an, dass die Soldaten über den gewohnheitsmäßigen Schmuggel der Dorfbewohner informiert waren und ihn duldeten und dass sie auch wussten, dass an dem Tag der Bombardierung Dorfbewohner Schmuggel-Aktivitäten am Tatort betrieben.

Zeugenaussagen weisen darauf hin, dass die Dorfbewohner, die die Grenze vom Irak überschritten hatten, von Soldaten daran gehindert wurden in das Dorf Ortasu/Roboski zurückzukehren, und sie aufgefordert wurden, in dem Gebiet zu bleiben, das dann in der Folge bombardiert wurde.

Menschenrechtsorganisationen, die den Vorfall zu untersuchen wollten, berichteten, dass Delegierten von Soldaten aus „Sicherheitsgründen“ die Genehmigung verweigert wurde, den Platz der Bombardierung zu besuchen. Regierungen dürfen nicht Vertreter von zivilgesellschaftlichen Organisationen, die ein Mandat haben die Einhaltung von Menschenrechtsstandards zu beobachten, daran hindern, Gebiete zu betreten, von denen angenommen werden kann, dass dort Verletzungen von Menschenrechten oder humanitärer Gesetze begangen worden sind.

Die Durchführung der Untersuchung durch Staatsanwälte führt zu einer Zunahme der Besorgnis, dass die vollständigen Umstände (der vollständige Sachverhalt) der Bombardierung nicht aufgedeckt wird.

Berichten zufolge haben die Staatsanwälte mehr als einen Monat nach der Bombardierung keine Zeugenaussagen aufgenommen. Staatsanwälte müssen sicherstellen, dass Zeugenaussagen sorgfältig untersucht werden und dass Personal des Militärs zur Verantwortung gezogen wird, wenn es Beweismittel dafür gibt, dass aus Fahrlässigkeit oder Willkür genehmigt wurde, Zivilisten zum Ziel zu machen. Außerdem sollen die Staatsanwälte den Tatort nicht untersucht haben unter Hinweis auf „die Wut der in der Region versammelten Ortsansässigen und das Risiko terroristischer Aktivitäten an dem Ort“. Eine solche Rechtfertigung erinnert an das Versäumnis eine sofortige Untersuchung des Tatortes nach dem Tod von Ceylan Önkol, einem Mädchen, das getötet wurde als es in der Nähe ihres Hauses Vieh weidete. Ihr Tod im Jahr 2009 wurde mutmaßlich von einem von den türkischen Sicherheitskräften abgefeuerten Mörser (Granate?) verursacht. Es ist anzumerken, dass die strafrechtlichen Ermittlungen in diesem Fall noch nicht abgeschlossen sind, mehr als zwei Jahre nach dem Tod von Ceylan Önkol.

Amnesty International ist auch besorgt über Berichte, nach denen sich Staatsanwälte auf Militäreinheiten stützen, um Beweismittel vom Ort der Bombardierung zu beschaffen, wodurch die Unabhängigkeit der Untersuchung bedroht ist.

Amnesty International fordert von den Behörden Aufklärung darüber, warum eine „Entscheidung über Geheimhaltung“ der Ermittlungen getroffen wurde, wodurch sie der öffentlichen Überprüfung und den Anwälten der Familie der Opfer nicht zugänglich sind.