AMNESTY INTERNATIONAL
Öffentliche Erklärung
AI Index: EUR 44/010/2013
Istanbul 1. Mai Feiern: Verwehrung des Rechts auf friedlichen Protest und exzessiver Einsatz von Gewalt von Seiten der Polizei
3. Mai 2013
Die 1. Mai Feiern in Istanbul wurden zum wiederholten Mal durch Polizeigewalt und den Versuch der Behörden, Demonstrationen zu verhindern, gestört.
Das Büro des Istanbuler Gouverneurs stellte den öffentlichen Personennahverkehr ein, um die Demonstrierenden daran zu hindern, zu den verabredeten Treffpunkten zu gelangen. Ferner wurden es den Demonstrierenden wegen der andauernden Bauarbeiten untersagt, den Weg über den Taksim Platz zu nehmen, dem traditionellen Ort der 1. Mai Demonstrationen.
Amnesty International ist besorgt darüber, dass die Polizei zum wiederholten Male mit exzessiver Gewalt gegen Demonstrierende vorgegangen ist, darunter ein ausgedehnter und exzessiver Einsatz von Wasserwerfern und Tränengas gegen friedliche Protestierende.
Teilweise warfen Protestierende Steine, nachdem die Polizei versucht hatte, die Menge gewaltsam auseinanderzutreiben. Bei Amnesty International ging eine Vielzahl von Beschwerden ein, denen zufolge protestierende Personen von Polizisten geschlagen worden waren.
In verschiedenen Teilen der Stadt kam es zu Zusammenstößen zwischen der Polizei und Demonstrierenden, vor allem in den zentralen Stadtteilen Beşiktaş und Şişli, die an den Stadtteil Taksim angrenzen.
Es blieb unklar, welches rechtmäßige Ziel die Polizei durch den Einsatz von Wasserwerfern gegen friedliche Demonstranten und diejenigen, die dabei waren, den Schauplatz zu verlassen, möglicherweise verfolgte. Amnesty International ist ebenfalls besorgt angesichts von Berichten über Tränengas, das in Gebäude, unter anderem in Privatwohnungen und Fahrzeuge, geschossen wurde und so die Sicherheit der Demonstrierenden und der Öffentlichkeit gefährdete.
Eine große Anzahl an Verletzungen wurde gemeldet, darunter zwei Vorkommnisse, bei denen Demonstrierende von Tränengasgeschossen der Polizei am Kopf getroffen wurden. Berichten zufolge lag ein 17jähriges Mädchen aufgrund der erlittenen Verletzungen 24 Stunden im Koma. Von einem anderen Demonstrierenden wird der Verlust der Sehkraft eines Auges berichtet, nachdem dieser von einem Tränengasgeschoss am Kopf getroffen worden war.
Amnesty International ist bestürzt angesichts der Aussagen der Behörden, dass Gewalt nur gegen “Randgruppen” eingesetzt wurde und dass die Polizei im Rahmen der Demonstrationen angemessene Gewalt eingesetzt habe.
Amnesty International erinnert an die Pflicht der Polizei und der Behörden im Allgemeinen, im Rahmen ihres Auftrags keinesfalls aufgrund von politischer Überzeugung oder irgendeines anderen Merkmals zu diskriminieren und fordert die Behörden auf, die Umsetzung der Vorgaben in den Grundprinzipien der UN für die Anwendung von Gewalt und den Gebrauch von Schusswaffen durch Polizeikräfte zu gewährleisten.
Die auf den Straßen Istanbuls während der 1. Mai Feiern beobachteten Ereignisse verdeutlichen die Notwendigkeit, dass die türkischen Behörden politischen Willen zur Beendigung des routinemäßigen Einsatzes exzessiver Gewalt bei Demonstrationen zeigen müssen. Weiterhin ruft Amnesty International die Behörden dazu auf, die Ordnungskräfte mit Richtlinien auszustatten, wonach jeder Einsatz von Gewalt entsprechend relevanten internationalen Menschenrechtsstandards in angemessenem Verhältnis zu der Bedrohung stehen muss.
Ferner ruft Amnesty International die Behörden auf, eine unverzügliche, unabhängige und unparteiische Untersuchung der Vorwürfe von exzessivem Einsatz von Gewalt durch Polizisten einzuleiten.
Übersetzung aus dem Englischen durch die Türkei-Koordinationsgruppe. Verbindlich ist das englische Original: “Turkey: Istanbul May Day celebrations: Denial of right to peaceful protest and excessive use of force by police” (http://www.amnesty.org/en/library/info/EUR44/010/2013/en)