Türkei: Keine Reaktion auf verzweifelte Rufe von Schwerverletzten

Presseerklärung
28.01.2016

Türkei: Keine Reaktion auf verzweifelte Rufe von Schwerverletzten während die Zahl der Toten steigt

Die türkischen Behörden reagieren nicht auf die Hilferufe von über 20 Verletzten, die seit 6 Tagen im Kellergeschoss eines unter schwerem Beschuss stehenden Gebäudes im südöstlichen Cizre Schutz gefunden haben.

„Das ist eine verzweifelte Situation: Diese verletzten Menschen, von denen manche offensichtlich schwer bluten, sind in erheblicher Lebensgefahr falls sie nicht umgehend medizinisch versorgt werden“, sagte Andrew Gardner, Türkei-Researcher von Amnesty International.

Geschätzte 23 Personen sitzen in einem Keller in Cizre, einer Stadt in der Provinz Şırnak fest, wo sie am 23. Januar vor anhaltenden Auseinandersetzungen zwischen dem türkischen Militär und bewaffneten, der PKK (Arbeiterpartei Kurdistans) nahestehenden Personen Unterschlupf gesucht hatten.

Amnesty International sprach mit einer der Personen im Keller, die berichtete, dass bereit 4 Personen verstorben und dass weitere 12 schwerverletzt seien, während das Gebäude weiterhin dem Beschuss von Granaten ausgesetzt sei. Seitdem ist die Kommunikation unterbrochen, aber es wird angenommen, dass nun 6 Personen ihr Leben verloren haben.

Das Gebäude ist nur wenige hundert Meter von einem medizinischen Zentrum entfernt. Die türkischen Behörden behaupten jedoch, dass es zu unsicher sei, Krankenwagen an diesen Ort zu schicken, der unter einer 24-Stunden-Ausgangssperre steht.

„Ihr Leben ist in höchster Gefahr, und es ist schwer zu glauben, die Behörden seien nicht in der Lage eine Lösung hierfür zu finden. Unabhängig von den Ursachen, die zu den Verletzungen dieser Menschen geführt haben, haben sie ein Recht auf lebenserhaltende medizinische Versorgung, und der Staat sollte den Zugang hierzu erleichtern, nicht behindern.“, sagte Andrew Gardner.

Laut den Aussagen des Rechtsanwalts, der die Verletzten vertritt, ist es aufgrund des Granatfeuers der Sicherheitskräfte unmöglich, das Gebäude zu verlassen. Im Namen der Verletzen wurde am 23. Januar bereits ein Antrag an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) gerichtet auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, durch die die türkischen Behörden aufgefordert werden, alles Mögliche zu unternehmen, dass die Menschen umgehend medizinische Versorgung erhalten.

Am 26. Januar forderte der EGMR die türkische Regierung dazu auf, geeignete Maßnahmen zum Schutze des Lebens der Kläger zu treffen. Weiterhin forderte er weitere Informationen und drängte auf Einlegung einer Beschwerde am türkischen Verfassungsgericht. Ein Urteil des Verfassungsgerichts ist bislang noch nicht erfolgt.

Seitdem Ende Juli 2015 der Friedensprozess zwischen der türkischen Regierung und der PKK zusammenbrach, wurden 24-stündige Ausgangssperren in kurdischen Stadtteilen im Osten und Südosten des Landes verhängt.

Berichten zufolge wurden in diesen Orten, in denen Kampfhandlungen zwischen den Sicherheitskräften und bewaffneten Personen, die mit der PKK verbunden sind, mehr als 150 Einwohner getötet. Unter den Toten sind Kinder, Frauen und ältere Menschen.

Seit dem 14. Dezember herrscht eine ganztägige Ausgangssperre in Cizre, wo Einwohner berichten, dass ihr Zugang zur Grundversorgung wie Wasser und Elektrizität abgeschnitten wird.

„Die Verweigerung der türkischen Behörden des Zugangs zu medizinischer Versorgung ist unvertretbar. Während Maßnahmen zur Gewährleistung der Sicherheit und Verhaftungen von Verdächtigen völlig legitim sein können, zeigt dieser Vorgang hingegen eine gefühllose Gleichgültigkeit gegenüber Menschenleben.“