Absurde Vorwürfe gegen Direktorin der türkischen Amnesty-Sektion

Noch nie in der Geschichte von Amnesty International wurden die Direktorin und der Vorstandsvorsitzende einer Ländersektion inhaftiert. Die Staats- und Regierungschefs der G20 müssen jetzt Präsident Erdoğan klar und deutlich Einhalt gebieten und die sofortige Freilassung von İdil Eser und weiteren Inhaftierten fordern. Am 5. Juli wurden İdil Eser, die Direktorin der türkischen Amnesty-Sektion, sieben weitere Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidiger sowie zwei Referenten festgenommen. Gegen sie wird offenbar wegen des Vorwurfs der “Mitgliedschaft in einer bewaffneten terroristischen Vereinigung” ermittelt. Dieser Vorwurf ist absurd und entbehrt jeder Grundlage.

“Die absurden Anschuldigungen gegen İdil Eser und gegen die neun weiteren Inhaftierten können nicht darüber hinwegtäuschen: Es handelt sich um einen schweren Angriff auf einige der prominentesten Organisationen der Zivilgesellschaft in der Türkei”, sagt der internationale Amnesty-Generalsekretär Salil Shetty.

Letzte Chance der G20

“Wenn jemand noch Zweifel am Ausmaß der Repression nach dem gescheiterten Putschversuch hatte, dann dürften sie jetzt verflogen sein: In Erdoğans Türkei soll es keine Zivilgesellschaft, keine Kritik und keine unabhängige Justiz mehr geben. Die Staats- und Regierungschefs der G20 müssen jetzt entschieden handeln – sonst wird am nächsten Gipfeltreffen nichts mehr von der Zivilgesellschaft in der Türkei übrig sein.” “Die Festnahme von İdil Eser geschah weniger als einen Monat nach der Festnahme von Taner Kılıç, dem Vorstandsvorsitzenden der türkischen Sektion von Amnesty. Auch er befindet sich aufgrund komplett haltloser Vorwürfe in Untersuchungshaft. Das ist das erste Mal in der Geschichte, dass ein Vorstandsvorsitzender und eine Direktorin einer Ländersektion von Amnesty International inhaftiert werden”, so Shetty weiter. “Sie müssen zusammen mit allen anderen inhaftierten Menschenrechtsverteidigerinnen und –verteidigern sofort und bedingungslos freigelassen werden”, fordert Salil Shetty

Hintergrund

Am 5. Juli um 10 Uhr morgens wurden acht türkische Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidiger, darunter İdil Eser, sowie zwei ausländische Referenten von der Polizei während eines Workshops zur digitalen Sicherheit in einem Hotel in Büyükada bei Istanbul inhaftiert.

Allen Inhaftierten wurde mehr als 28 Stunden lang der Zugang zu einem Rechtsbeistand verwehrt. Dies ist eine Verletzung türkischen Rechts, das nur eine Zeit von 24 Stunden erlaubt. Der Gruppe wurde auch das Recht verwehrt, ihre Familien zu kontaktieren, auch dies steht im Widerspruch zu türkischem Recht.

Die Behörden hielten den Aufenthaltsort der Inhaftierten bis am 6. Juli um ca. 15 Uhr geheim.

İdil Eser wird auf der Polizeistation in Maltepe außerhalb von Istanbul festgehalten, zusammen mit İlknur Üstün von der Women’s Coalition. Die anderen Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteiger befinden sich in drei verschiedenen Haftzentren in den Vororten von Istanbul. Rechtsbeiständen wurde am Donnerstagnachmittag erstmals Zugang zu sieben der Inhaftierten gewährt.

Der Ausnahmezustand, der vergangenes Jahr nach dem gescheiterten Putsch in Kraft gesetzt wurde, erlaubt es den Behörden, Verdächtige sieben Tage ohne Anklage in Gewahrsam zu nehmen. Diese Frist kann auf Antrag des Staatsanwalts um weitere sieben Tage verlängert werden.

Neben İdil Eser und İlknur Üstün sind die sechs weiteren Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidiger: Günal Kurşun (Anwalt, Human Rights Agenda Association), Nalan Erkem (Anwalt, Citizens’ Assembly), Nejat Taştan (Equal Rights Watch Association), Özlem Dalkıran, (Citizens’ Assembly), Şeyhmuz Özbekli (Anwalt) und Veli Acu (Human Rights Agenda Association).

Die beiden ausländischen Referenten – ein deutscher und ein schwedischer Staatsbürger – werden weiterhin auf der Insel Büyükada festgehalten. Sie durften mittlerweile einen Rechtsbeistand sehen.