UA-240/2004
Index: EUR 44/031/2004
04. August 2004
SORGE UM SICHERHEIT / MORDDROHUNGEN / FOLTER UND MISSHANDLUNG
Abdulhekim Gider, Rechtsanwalt
Abdullah Gündoğdu
Tahsin Atak
Ihsan Gülmek
Abdullah Gündogdu, Tahsin Atak und Ihsan Gülmek wurden am 30. Juli 2004 in Siirt im Südosten der Türkei festgenommen und sind Berichten zufolge gefoltert worden. Als der Rechtsanwalt Abdulhekim Gider seine Mandanten besuchen wollte, soll die Polizei ihn mit Schusswaffen bedroht und auf der Straße verfolgt haben. amnesty international befürchtet, dass das Leben des Rechtsanwalts gefährdet ist.
Abdullah Gündogdu, Tahsin Atak und Ihsan Gülmek wurden im Bezirk Pervari in der Provinz Siirt festgenommen, Berichten zufolge wegen des Verdachts der Unterstützung und Begünstigung der bewaffneten Oppositionsgruppe „Volkskongress Kurdistans“ (Kongra-Gel), die vormals den Namen „Arbeiterpartei Kurdistans“ (PKK) trug. Der Anwalt der Männer, Abdulhekim Gider, kam am 1. August 2004 zur Polizeiwache in Pervari, um mit den Männern zu sprechen. Während er wartete, fragte ein Polizist ihn: „Wie können sie Verräter verteidigen? Das ist Terroristenpack … Haben Sie kein Gewissen?“
Als der Anwalt Abdullah Gündogdu zu Gesicht bekam, wirkte dieser erschöpft und verängstigt und konnte nicht aufrecht stehen. Er sagte, er habe seit seiner Festnahme nichts zu essen bekommen und sei ausgezogen und dann zweieinhalb Stunden lang mit kaltem Wasser bespritzt worden, vor allem in der Nierengegend. Er gab ferner an, dass man ihm die Hoden gequetscht und auf den Kopf geschlagen habe. Tahsin Atak und Ihsan Gülmek sagten nur, dass sie kein Essen erhalten hätten, aber beide wirkten müde und eingeschüchtert. Tahsin Atak beklagte sich später, er sei schwer auf Körper und Beine geschlagen worden. Als sein Anwalt ihn im Gefängnis traf, befanden sich Angaben zufolge noch Blutspuren an Tahsin Ataks Beinen und Strümpfen.
An jenem Tag versuchte Abdulhekim Gider eine Beschwerde vorzubringen, dass Abdullah Gündogdu gefoltert worden sei, aber der Staatsanwalt von Pervari reagierte zögerlich und versuchte, ihn davon abzubringen. Als Abdulhekim Gider am 2. August 2004 noch einmal den Staatsanwalt aufsuchte, soll ein Polizist sein Gewehr auf den Anwalt gerichtet und zu einem weiteren Polizisten gesagt haben, dass er möglicherweise aus Versehen abdrücken könnte. Als Abdulhekim Gider am selben Tag erneut die Polizeiwache aufsuchte, um seinen Mandanten zu besuchen, wurde er nach eigenen Angaben von sieben oder acht Polizisten daran gehindert, das Gebäude zu betreten, die ihn einkesselten und offenbar beschimpften und bedrohten, da er eine Folterbeschwerde gegen sie eingelegt hatte. Als er sich an einen hochrangigen Polizisten wandte, der gerade auf der Polizeiwache eintraf, durfte Abdulhekim Gider seine Mandanten sehen. Beim Verlassen des Gebäudes sagte einer der Polizisten, die ihn zuvor bedroht hatten, zu ihm: „Dein Job wird nicht mehr leicht sein.“ Als Abdulhekim Gider fragte, was er damit sagen wolle, sagte der Polizist zu ihm: „Hau ab! Ich will dich nicht mehr sehen. Schlimme Dinge passieren, und sie werden passieren.“
Die Polizei hat Verwandte der festgehaltenen Männer bedrängt, den Anwalt zu wechseln, und Polizisten aus Pervari sollen Abdulhekim Gider seitdem erneut bedroht haben. Ganze Gruppen von Polizisten sind ihm auf der Straße gefolgt, und Polizeifahrzeuge haben auffällig die Gegend um Gebäude patrouilliert, in denen er Besprechungen mit den Familien seiner Mandanten abgehalten hat. Abdullah Gündogdu, Tahsin Atak und Ihsan Gülmek wurden am 3. August um 23 Uhr in das Provinzgefängnis Siirt überstellt.
HINTERGRUNDIINFORMATIONEN
Die türkische Regierung hat sich bei ihrem Amtsantritt im November 2002 einer Politik verpflichtet, die Folter und Misshandlungen unter keinen Umständen duldet. In jüngster Zeit sind in der Türkei mehrere Gesetzesreformen eingeleitet worden, die Folter verhindern sollen; unter anderem beinhalten sie eine Verkürzung der Untersuchungshaft, und alle Gefangenen sollen sofort nach der Festnahme das Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand erhalten. Allerdings erfüllt die Polizei diese Vorgaben nicht immer. Abdullah Gündogdu, Tahsin Atak und Ihsan Gülmek haben sich beklagt, dass sie nach der Festnahme nicht über ihre Rechte aufgeklärt wurden, auch nicht über ihr Recht auf einen Rechtsbeistand. Sie gaben an, dass sie ein Dokument unterzeichnen mussten, dessen Inhalt sie nicht kannten und das vermutlich eine Erklärung darüber war, dass sie über ihre Rechte aufgeklärt worden seien.
EMPFOHLENE AKTIONEN: Schreiben Sie bitte Telefaxe, E-Mails oder Luftpostbriefe, in denen Sie
- sich angesichts der Berichte besorgt zeigen, denen zufolge Abdullah Gündogdu, Tahsin Atak und Ihsan Gülmek in Polizeigewahrsam misshandelt oder gefoltert worden sind, und die Regierung an ihre erklärte Absicht erinnern, Folter und Misshandlungen unter keinen Umständen zu dulden;
- fordern, dass eine umfassende und unparteiliche Untersuchung über die Misshandlungs- und Foltervorwürfe der Männer wie auch eine umgehende ärztliche Untersuchung durchgeführt und die Ergebnisse veröffentlicht sowie die Täter vor Gericht gestellt werden;
- Ihre Sorge um die Sicherheit von Abdulhekim Gider zum Ausdruck bringen und die Behörden auffordern, in Abstimmung mit ihm seine Sicherheit zu gewährleisten;
- die Behörden auffordern, eine umfassende und unparteiische Untersuchung der Vorwürfe durchzuführen, dass Polizisten den Rechtsanwalt bedroht haben, und die Ergebnisse zu veröffentlichen sowie die Täter vor Gericht zu stellen;
- Ihre Sorge darüber zum Ausdruck bringen, dass die Polizei den Anwalt offenbar bedroht hat, weil er eine Beschwerde über die mutmaßliche Folterung von Abdullah Gündogdu eingereicht hatte;
- die Behörden darauf hinweisen, dass die Türkei das UN-Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe 1988 ratifiziert hat und sie nach Artikel 4 und 5 mutmaßliche Folterer vor Gericht stellen und nach Artikel 13 Opfer, Kläger und Zeugen in Folterverfahren schützen muss.
APPELLE AN:
Mr Cemil Çiçek, Ministry of Justice, Adalet Bakanlığı, 06659 Ankara, TÜRKEI
(Justizminister – korrekte englische Anrede: Dear Minister)
E-Mail: cemilcicek@adalet.gov.tr
Telefax: (00 90) 312 417 7113
Mr Abdulkadir Aksu, Ministry of Interior, Içisleri Bakanlığı, 06644 Ankara, TÜRKEI
(Innenminister – korrekte englische Anrede: Dear Minister)
Telefax: (00 90) 312 418 1795 KOPIEN AN:
Mr Abdullah Gül, Foreign Minister and State Minister for Human Rights, Office of the Prime Minister, Basbakanlik, 06573 Ankara, TÜRKEI (Außenminister – korrekte englische Anrede: Dear Minister)
E-Mail: abdullah.gul@basbakanlik.gov.tr
Botschaft der Republik Türkei, Rungestraße 9, 10179 Berlin
(S. E. Herrn Mehmet Ali Irtemcelik)
Telefax: 030-2759 0915
E-Mail: turk.em.berlin@t-online.de
Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 14. September 2004 keine Appelle mehr zu verschicken.
RECOMMENDED ACTION: Please send appeals to arrive as quickly as possible, in English or your own language:
– expressing concern at reports that Abdullah Gündogdu, Tahsin Atak and Ihsan Gülmek may have been tortured or ill-treated while in police custody, and reminding the government of its stated policy of “zero tolerance for torture and ill-treatment”;
– calling for a full and impartial investigation into the men’s allegations, including a prompt medical examination, with the results made public and those responsible brought to justice;
– expressing concern for the safety of Abdulhekim Gider and calling for immediate steps to be taken to guarantee his safety, in accordance with his wishes;
– urging the authorities to conduct a full and impartial investigation into allegations that police officers have threatened the lawyer, for the results to be made public and for those responsible to be brought to justice;
– expressing concern that police appear to have threatened the lawyer because he lodged a complaint about the alleged torture of Abdullah Gündogdu;
– reminding the authorities that they ratified the UN Convention against Torture in 1988, and are obliged to bring alleged torturers to justice (Articles 4 and 5), and to protect victims, plaintiffs and witnesses in torture trials (Article 13).