Amnesty fordert die Untersuchung eines Polizei-Einsatzes gegen Demonstranten

AI Index: EUR 44/025/2012

20. Dezember 2012

Amnesty International fordert eine unverzügliche, gründliche und unparteiische Untersuchung der Umstände exzessiver Gewaltanwendung von Sicherheitskräften gegen eine Gruppe von Demonstranten auf dem Universitätsgelände in Ankara am 18. Dezember 2012. Amnesty International ist besorgt über Berichte, wonach einer der Demonstranten sich in kritischem Zustand im Krankenhaus befindet, nachdem er von einer Reizgasgranate der Polizei am Kopf getroffen worden war.

Am 18. Dezember 2012 besuchte Ministerpräsident Erdoğan die Technische Universität des Mittleren Ostens (Orta Doğu Teknik Üniversitesi – ODTÜ) anlässlich einer Veranstaltung zum Start des Satelliten Göktürk 2. Nach Berichten von Augenzeugen und Medien versammelten sich etwa 300 Menschen zu einer friedlichen Demonstration. Sie riefen Parolen und trugen Botschaften, mit denen sie gegen die Regierungspolitik und die Inhaftierung von Personen protestierten, die ihr Recht auf Meinungsfreiheit wahrgenommen hatten.

Augenzeugen berichteten Amnesty International von einer enormen Polizeipräsenz mit über 3000 Beamten und ca. 100 gepanzerten Fahrzeugen auf dem Gelände. Sie berichteten weiter, dass die Demonstranten ihren Marsch angesichts der Polizeiblockade stoppten, aber weiterhin Slogans riefen. Die Polizei soll ohne Vorwarnung Geräuschbomben und Pfefferspray in die Menge gefeuert haben. Studenten geben an, dass die Zusammenstöße fast sieben Stunden angedauert haben sollen, nahezu 2000 verbrauchte Gasgranaten gesammelt wurden und ungefähr 70 Geräuschbomben gezählt worden sein sollen.

Einige Demonstranten antworteten mit Stein- und Flaschenwürfen auf die Polizisten. Augenzeugen sagten Amnesty International, dass sie hinterher sechs oder sieben Beamte im Atatürk-Krankenhaus in Ankara gesehen hätten, die möglicherweise leicht verletzt worden seien.

Einer der Demonstranten, Barış Barışık, befindet sich noch im Krankenhaus. Er war von einem von der Polizei abgefeuerten Pfefferspray-Geschoss am Kopf getroffen worden und wird wegen einer Gehirnblutung im Universitätskrankenhaus in Ankara behandelt. Augenzeugen und Medien berichten, dass bis zu 50 Demonstranten verletzt worden sein sollen, drei von ihnen schwer, darunter Barış Barışık.

Amnesty International drängt die türkischen Behörden sicherzustellen, dass Polizisten keine übermäßige Gewalt gegen friedliche Demonstranten ausüben, in Übereinstimmung mit Artikel 19 und 21 des Internationalen Paktes über Bürgerliche und Politische Rechte. Die Türkei ist diesem Vertrag beigetreten und daher zur Einhaltung dieser Artikel verpflichtet, die das Recht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit garantieren.

Amnesty International fordert die türkischen Behörden auf, unverzüglich eine gründliche und unabhängige Untersuchung der exzessiven Gewaltanwendung der Sicherheitskräfte am 18. Dezember 2012 durchzuführen.

Hintergrund

Der Satellit Göktürk 2 ist der erste Erdbeobachtungssatellit der Türkei. Er wurde von der Raketenstartbasis Jiuquan in China gestartet. Ministerpräsident Erdoğan war an der ODTÜ, um den Start vom Forschungsinstitut für Weltraumtechnologie des TÜBİTAK (Wissenschafts- und Technologieforschungsrat der Türkei) auf dem ODTÜ Campus aus zu verfolgen.