AMNESTY INTERNATIONAL PUBLIC STATEMENT
AI Index: PRE01/028/2013
18. Januar 2013
Türkei: Anti-Terror-Verhaftungen prominenter Menschenrechtsanwälte
Nach Informationen von Amnesty International sind während nächtlicher Polizeirazzien in mehreren türkischen Städten fünfzehn Rechtsanwälte festgenommen worden, die für die Verteidigung der Redefreiheit und der Opfer von Polizeigewalt bekannt sind.
Die Polizeiaktionen sollen sich gegen eine verbotene linksextreme Gruppe gerichtet haben. Sie führten zu Verhaftungen in Ankara, Istanbul und Izmir, und zielten sowohl auf Wohnadressen als auch auf Rechtsanwaltsbüros, darunter die Zentrale und Niederlassungen des Vereins zeitgenössischer Juristen (ÇHD) und das Rechtsbüro des Volkes in Istanbul.
Amnesty International hat erfahren, dass während der Durchsuchung des Rechtsbüros des Volkes weder ein Staatsanwalt noch ein Vertreter der Rechtsanwaltskammer anwesend gewesen sein sollen, wie es gesetzlich vorgeschrieben ist.
„Die Festnahme bekannter Menschenrechtsanwälte und die offenbar gesetzwidrige Durchsuchung ihrer Kanzleien fügen sich in ein Muster der Verfolgung ein, nach dem offensichtlich gegen kritische Stimmen vorgegangen wird“ sagte Andrew Gardner, der Türkei-Experte von Amnesty International.
Es wird angenommen, dass die letzte Verhaftungswelle, die nach den türkischen Anti-Terror-Gesetzen durchgeführt wurde, auf mutmaßliche Mitglieder der bewaffneten Revolutionären Volksbefreiungspartei/Front (DHKP/C) zielte. Wegen eines „Geheimhaltungsbeschlusses“, der in diesem Fall angewendet wurde, haben die Behörden den Strafverteidigern keine Einzelheiten mitgeteilt.
Berichten zufolge wurden mehr als 80 Personen während der Polizeioperationen in sieben türkischen Städten festgenommen.
Amnesty International engagiert sich seit langem gegen den Missbrauch der übermäßig weit gefassten und vage formulierten Anti-Terror-Gesetze der Türkei, mit denen legitime friedliche Aktivitäten verfolgt werden.
„Menschenrechtsanwälte wurden jetzt Opfer des weitverbreiteten Missbrauchs der türkischen Anti-Terror-Gesetze. Es stellt sich die Frage: „Wer bleibt noch übrig, um die Opfer mutmaßlicher Menschenrechtsverletzungen zu verteidigen?“, sagte Gardner.
Rechtsanwälte – auch aus dem betroffenen Verein – hatten Amnesty International bereits früher mitgeteilt, dass sie befürchteten und ihnen gedroht worden war, wegen ihrer Verteidigung von Angeklagten in Anti-Terror-Prozessen verhaftet zu werden.