Flüchtling weiter in Gefahr

Türkei
UA-282/2015-2, Index: EUR 44/3683/2016, 21. März 2016

Inhaltsverzeichnis

Flüchtling weiter in Gefahr

Herr FADI MANSOUR (ZUVOR F. M. GENANNT)

Der syrische Flüchtling Fadi Mansour befindet sich seit dem 19. März nicht mehr im “Raum für problematische Passagiere” im Flughafen Istanbul-Atatürk, wo er seit mehr als einem Jahr willkürlich festgehalten wurde. Bis eine Entscheidung über seinen Antrag auf Freilassung gefällt wird, bleibt er in Verwaltungshaft. Es besteht weiterhin die Gefahr, dass er nach Syrien abgeschoben wird.
Der syrische Flüchtling Fadi Mansour (zuvor F. M. genannt), der seit dem 15. März 2015 im “Raum für problematische Passagiere” im Flughafen Istanbul-Atatürk festgehalten worden war, wurde am 19. März 2016 in eine nahgelegene Polizeistation gebracht. Sein Pass wurde abgestempelt, was bedeutet, dass seine Einreise in die Türkei anerkannt wurde. Laut seinem Rechtsbeistand hatte die Generaldirektion der Migrationssteuerung zuvor entschieden, dass Fadi Mansour in einem Abschiebelager in Adana im Südosten der Türkei in Verwaltungshaft genommen werden solle.
Am 21. März ist Fadi Mansour von der Polizeistation in eine Hafteinrichtung im Abschiebelager im Istanbuler Bezirk Kumkapı verlegt worden. Sein Rechtsbeistand hat bei der Generaldirektion der Migrationssteuerung beantragt, dass Fadi Mansour nicht in das Abschiebelager in Adana gebracht, sondern freigelassen wird und gemäß dem Ausländer- und Asylgesetz der Türkei von 2013 vorübergehenden Schutzstatus erhält.
Bis zu seiner Freilassung und bis man ihm den vorübergehenden Schutzstatus gewährt, läuft Fadi Mansour weiterhin Gefahr, nach Syrien abgeschoben zu werden, wo ihm schwere Menschenrechtsverletzungen drohen.

SCHREIBEN SIE BITTE

E-MAILS, FAXE, TWITTER-NACHRICHTEN ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN
• Bitte lassen Sie Fadi Mansour umgehend frei und gewähren Sie ihm vorübergehenden Schutzstatus in der Türkei in Übereinstimmung mit Paragraf 91 des Ausländer- und Asylgesetzes der Türkei.
• Stellen Sie bitte sicher, dass Fadi Mansour nicht nach Syrien abgeschoben wird oder gezwungen wird, “freiwillig” dorthin zurückzukehren.
• Bitte kooperieren Sie mit ausländischen Botschaften, die von Fadi Mansour eingereichte Anträge auf Einreise überprüfen, indem Sie Beamt_innen dieser Botschaften erlauben, ihn in Haft zu besuchen.

APPELLE AN

INNENMINISTER
Mr. Efkan Ala
İçişleri Bakanlığı
Bakanlıklar
Ankara
TÜRKEI
(Anrede: Dear Minister / Sehr geehrter Herr Minister)
Fax: (00 90) 312 425 85 09
Twitter: @efkanala

GENERALDIREKTION FÜR MIGRATIONSSTEUERUNG
Mr. Atilla Toros, Director General
Lalegül Çamlıca Mahallesi 122. Sokak
No: 2/3 06370 Ankara
TÜRKEI
(Anrede: Dear Director / Sehr geehrter Herr Direktor)
Fax: (00 90) 312 422 09 00
Fax: (00 90) 312 422 09 99
E-Mail: gocidaresi@goc.gov.tr

KOPIEN AN
VORSITZENDER DER MENSCHENRECHTSINSTITUTION
Dr. Hikmet Tülen
İnsan Hakları Başkanı
Türkiye İnsan HaklarıI Kurumu
Yüksel Caddesi No: 23
Kat 3, Yenişehir
06650 Ankara
TÜRKEI
Fax: (00 90) 312 422 29 96
E-Mail: tihk@tihk.gov.tr

BOTSCHAFT DER REPUBLIK TÜRKEI
S. E. Herrn Hüseyin Avni Karslioğlu
Tiergartenstr. 19-21
10785 Berlin
Fax: 030-275 90 915
E-Mail: botschaft.berlin@mfa.gov.tr

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Türkisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 2. Mai 2016 keine Appelle mehr zu verschicken.

HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Der Syrer Fadi Mansour ist im August 2012 aus Syrien in den Libanon geflohen, um dem Wehrdienst zu entgehen. Er erklärte, dass er den Libanon jedoch verlassen habe, nachdem er entführt und von einer örtlichen Bande als Geisel gehalten worden war. Daraufhin war er zunächst in die Türkei und nach ungefähr einem Monat dann nach Malaysia geflüchtet. Dort wurde ihm jedoch die Einreise verweigert, weil er angeblich gefälschte Ausweispapiere vorgelegt habe. Die malaysischen Behörden schoben ihn im März 2015 in die Türkei ab, wo ihm ebenfalls die Einreise verweigert wurde. Stattdessen wurde er für acht Monate in einem “Raum für problematische Passagiere” im Flughafen Istanbul-Atatürk festgehalten. Nachdem er von einem anderen Mitgefangenen angegriffen und verletzt worden war, bat er darum, in den Libanon reisen zu dürfen. Am 20. November 2015 wurde ihm jedoch auch die Einreise in den Libanon verwehrt. Die libanesischen Behörden flogen ihn am 21. November 2015 nach Istanbul aus. Als er dort ankam, wurde er erneut inhaftiert.
Die Inhaftierung von Fadi Mansour scheint ohne rechtliche Grundlage erfolgt zu sein. Syrer_innen, die sich in der Türkei befinden, sind Gegenstand der im Oktober 2013 verabschiedeten Verordnung zum vorübergehenden Schutzstatus (Temporary Protection Regulation – TPR). Darin ist in Artikel 5 festgeschrieben, dass Syrer_innen nicht wegen der Einreise ohne Erlaubnis in die Türkei oder des dortigen Aufenthalts ohne Erlaubnis bestraft werden dürfen. Weitere Richtlinien des im April 2013 verabschiedeten Ausländer- und Asylgesetzes der Türkei schreiben vor, dass die Verwaltungshaft nur während der Bearbeitung der Anträge auf internationalen Schutz zugelassen ist (Paragraf 68) oder bei einer geplanten Abschiebung (Paragraf 57). Keiner dieser Paragrafen darf jedoch bei syrischen Flüchtlingen angewandt werden, da diese unter dem türkischen Recht keine Antragsteller_innen für “internationalen Schutz” sind und nicht in ihr Heimatland abgeschoben werden dürfen, weil ihnen dort schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen drohen (TPR Artikel 6).

Verbot willkürlicher Inhaftierung
Willkürliche Inhaftierungen sind gemäß Völkerrecht verboten. Dieses Verbot ist in Artikel 9 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (IPbpR) festgeschrieben, zu dessen Vertragsstaaten die Türkei gehört. Der Begriff “willkürlich” ist hierbei im weitesten Sinne zu verstehen und umfasst auch Aspekte wie Unangemessenheit, Ungerechtigkeit, fehlende Vorhersehbarkeit und fehlendes ordentliches Verfahren sowie Zumutbarkeit, Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit. Darüber hinaus berechtigt das Prinzip habeas corpus, wie es beispielsweise in Artikel 9 (4) des IPbpR enthalten ist, jeden, dem die Freiheit entzogen wird, ein Verfahren vor einem Gericht zu beantragen. Das Gericht muss unverzüglich über die Rechtmäßigkeit der Freiheitsentziehung entscheiden und kann eine Freilassung anordnen, falls die Freiheitsentziehung nicht rechtmäßig ist.

Grundsatz der Nichtzurückweisung
Der Grundpfeiler des internationalen Flüchtlingsschutzes ist der Grundsatz der Nichtzurückweisung (Non-Refoulement). Dieser Grundsatz verbietet es, Personen in irgendeiner Weise in Gebiete zurückzuweisen, in denen ihnen schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen drohen – wie es bei Menschen aus Syrien der Fall ist. Der Grundsatz der Nichtzurückweisung ist in der Genfer Flüchtlingskonvention und in zahlreichen weiteren Menschenrechtsinstrumenten verankert, zu deren Einhaltung die Türkei verpflichtet ist. Verstöße gegen diesen Grundsatz können auf verschiedene Weise erfolgen. Einen direkten Verstoß stellt beispielsweise eine Abschiebung in das Herkunftsland dar. Ein indirekter Verstoß liegt vor, wenn Flüchtlingen z. B. der Zugang zu einem Gebiet oder zu einem fairen und zufriedenstellenden Asylverfahren verwehrt wird. Auch das Ausüben von Druck auf Flüchtlinge, um diese zu einer Rückkehr in ein Gebiet zu zwingen, in dem ihr Leben oder ihre Freiheiten gefährdet sind, stellt einen indirekten Verstoß gegen den Grundsatz der Nichtzurückweisung dar. Dieses Vorgehen ist als faktisches Refoulement bekannt und gemäß Völkerrecht verboten, welches bindend für die Türkei ist.

Verbot von Folter und anderer grausamer, unmenschlicher und erniedrigender Behandlung oder Strafe
Folter und andere grausame, unmenschliche und erniedrigende Behandlungen oder Strafen sind gemäß zahlreicher Richtlinien der internationalen Menschenrechtsnormen verboten, darunter das Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe. Dieses Verbot ist zudem in der türkischen Verfassung und der Europäischen Menschenrechtskonvention festgeschrieben.

Willkürliche Inhaftierung von Asylsuchenden in der Türkei
In der Urgent Action UA-045/2016, die am 2. März 2016 veröffentlicht wurde, macht Amnesty International auf den Fall eines anderen syrischen Flüchtlings (M. K.) aufmerksam, der seit November 2015 unter unmenschlichen Bedingungen im Sabiha-Gökçen-Flughafen in Istanbul inhaftiert ist (http://www.amnesty.de/urgent-action/ua-045-2016/fluechtling-willkuerlich-inhaftiert).

PLEASE WRITE IMMEDIATELY
• Calling on the Turkish authorities to immediately release Fadi Mansour from detention and grant him temporary protection status in Turkey, under Article 91 of the 2013 Law on Foreigners and International Protection.
• Urging them to ensure that he is not returned to Syria or pressured to accept to return “voluntarily”.
• Calling on them to cooperate with any foreign embassies that are considering Fadi Mansour’s applications to leave Turkey by allowing embassy officers to visit him in detention.
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