8 gewaltfreien Menschen droht Inhaftierung

UA-031/2007 Index: EUR 44/002/2007 08. Februar 2007

  • Mehmet Desde
  • Mehmet Bakır
  • Hüseyin Habip Taşkın
  • Maksut Karadağ
  • Şerafettin Parmak
  • Metin Özgünay
  • Ömer Güner
  • Ergün Yıldırım

Die acht oben genannten Männer sind in unmittelbarer Gefahr, wegen der friedlichen Wahrnehmung ihres Rechts auf freie Meinungsäußerung inhaftiert zu werden. Sie sind in einem unfairen Prozess hauptsächlich auf der Grundlage von mutmaßlich unter Folter erpressten Aussagen schuldig gesprochen worden. Sollten sie ihre Gefängnisstrafen verbüßen müssen, würde amnesty international sie als gewaltlose politische Gefangene betrachten und ihre sofortige und bedingungslose Freilassung fordern.

Am 25. Dezember 2006 hat die 9. Kammer des Kassationsgerichts, des obersten türkischen Gerichts, die im März 2006 gegen Mehmet Desde, Mehmet Bakır, Hüseyin Habip Taşkın, Maksut Karadağ und Şerafettin Parmak gefällten Urteile wegen „Mitgliedschaft in einer illegalen Organisation“ sowie die Schuldsprüche gegen Metin Özgünay, Ömer Güner und Ergün Yıldırım wegen der „Unterstützung einer illegalen Organisation” aufrechterhalten. Die Urteile beziehen sich auf die angeblichen Verbindungen der Männer zur „Bolschewikpartei (Nordkurdistan/Türkei)“, einer kleinen, gewaltlosen Oppositionspartei. Die acht Angeklagten haben in dem Prozess alle bestritten, der Partei anzugehören.

Die Beweismittel, auf deren Grundlage die acht Schuldsprüche erfolgten, bestanden zum größten Teil aus Aussagen, die Angaben zufolge von einem Teil von ihnen unter Folter erpresst worden waren. Darüber hinaus präsentierte die Anklagvertretung juristische Fachzeitschriften im Besitz der Angeklagten sowie Flugblätter und Aufkleber mit dem Namen der „Bolschewikpartei (Nordkurdistan/Türkei)“ vor Gericht als Belastungsmaterial.

Die acht Männer waren am 9. bzw. 10. Juli 2002 festgenommen worden. Derzeit befinden sie sich auf freiem Fuß, sobald aber die Haftbefehle auf der Grundlage der Entscheidung des Kassationsgerichts in den kommenden Tagen erlassen werden, werden sie ihre Gefängnisstrafen antreten müssen. Mehmet Desde, Mehmet Bakır, Hüseyin Habip Taşkın, Maksut Karadağ und Şerafettin Parmak sind zu jeweils zweieinhalb Jahren verurteilt worden, von denen sie bereits sechs Monaten verbüßt haben, sodass sie voraussichtlich noch 17 Monate der Strafe verbüßen müssen. Gegen Metin Özgünay, Ömer Güner und Ergün Yıldırım wurden zehnmonatige Haftstrafen gefällt, wovon sie noch siebeneinhalb Monate zu verbüßen haben.

Der Entscheidung der 9. Kammer des Kassationsgerichts ging ein langer Prozess mit zwei Neuverhandlungen und zwei vorherigen Urteilen des Kassationsgerichts voraus, in denen die Schuldsprüche des Gerichts niederer Instanz in Izmir jeweils aufgehoben worden waren. Der öffentliche Ankläger in Izmir hatte in beiden Wiederaufnahmeverfahren für Freisprüche plädiert, woraufhin der Oberste Staatsanwalt des Kassationsgerichts jeweils eine Annullierung der Urteile empfahl.

Angesichts der Tatsache, dass in einem gesonderten Verfahren das Urteil gegen vier Polizeibeamte noch aussteht, die beschuldigt werden, Mehmet Desde nach seiner ursprünglichen Inhaftierung im Jahr 2002 gefoltert zu haben, ist das abschließende Urteil des Kassationsgerichts umso fragwürdiger. Das Berufungsverfahren gegen die Freisprüche im ursprünglichen Prozess gegen die vier Polizisten ist seit Dezember 2004 vor der 8. Kammer des Kassationsgerichts anhängig.

amnesty international betrachtet die Bestätigung der Schuldsprüche im Fall der acht oben genannten Männer als ein weiteres Indiz für ein Muster an unfairen Gerichtsverfahren, das im türkischen Strafrechtssystem nach wie zu beobachten ist. Die detaillierten Schilderungen des unfairen Prozesses gegen Mehmet Desde und andere Angeklagte sind zusammen mit anderen exemplarischen Fällen in einem im September 2006 von amnesty international veröffentlichten Bericht aufgeführt, der sich mit Prozessen auf der Grundlage der Anti-Terrorismus-Gesetze beschäftigt (siehe: “Turkey: Justice Delayed and Denied: The persistence of protracted and unfair trials for those charged under anti-terrorism legislation“, ai-Index: EUR 44/013/2006). Das Recht auf ein faires Gerichtsverfahren ist in der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie im Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte enthalten. Als Unterzeichnerstaat dieser beiden Menschenrechtsabkommen ist die Türkei zur Wahrung des Rechts auf einen fairen Prozess für alle ihrer Rechtsprechung unterworfenen Personen verpflichtet.

EMPFOHLENE AKTIONEN: Schreiben Sie bitte Telefaxe oder Luftpostbriefe, in denen Sie

  • sich angesichts der Entscheidung der 9. Kammer des Kassationsgerichts besorgt zeigen, die gegen die acht oben genannten Männer gefällten Schuldsprüche aufrechtzuerhalten;
  • darlegen, dass amnesty international die acht Männer als gewaltlose politische Gefangene betrachten wird, sollten sie ihre Reststrafe antreten müssen;
  • den Obersten Staatsanwalt des Kassationsgerichts auffordern, umgehend bei der Großen Strafkammer, dem höchsten Kontrollgremium des Kassationsgerichts, die Annullierung des Urteils der 9. Kammer des Kassationsgerichts vom 25. Dezember 2006 aus zwingenden Gründen zu empfehlen;
  • daran erinnern, dass das Berufungsverfahren gegen vier Polizisten, denen zur Last gelegt wird, Mehmet Desde im Juli 2002 gefoltert zu haben, bereits seit Dezember 2004 vor der 8. Kammer des Kassationsgerichts anhängig ist.

APPELLE AN:

Mr Nuri Ok, Chief Public Prosecutor of the Court of Cassation
Yargıtay Cumhurriyet Başsavcısı, Yargıtay Cumhurriyet Başsavcılığı
Bakanlıklar, Ankara, TÜRKEI
(Oberster Staatsanwalt des Kassationsgerichts – korrekte englsche Anrede. Dear Mr Ok)
Telefax (00 90) 312-419 1652

Mr Osman Şirin, President of the General Penal Board of the Court of Cassation
Yargıtay 1. Başkanı Vekili, Yargıtay Ceza Genel Kurul, Yargıtay Ana Bina
Ankara, TÜRKEI
(Vorsitzender des höchsten Kontrollgremiums des Kassationsgerichts – korrekte englische Anrede: Dear Mr Şirin)
Telefax: (00 90) 312-425 9814

KOPIEN AN:

Mr Cemil Çiçek, Minister of Justice, Adalet Bakanlığı
06659 Kızılay, Ankara, TÜRKEI
(Justizminister)
Telefax: (00 90) 312-418 4119

Mr Abdullah Gül, Minister for Foreign Affairs and State Minister with responsibility for Human Rights
Ministry of Foreign Affairs, Disisleri Bakanligi
06100 Ankara, TÜRKEI
(Außenminister und Staatssekretär für Menschenrechte)
Telefax: (0090) 312 287 3869

Botschaft der Republik Türkei
Rungestraße 9, 10179 Berlin
(S. E. Herrn Mehmet Ali Irtemcelik)
Telefax: 030-2759 0915
E-Mail: turk.em.berlin@t-online.de

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 22. März 2007 keine Appelle mehr zu verschicken.

– expressing concern at the decision by the 9th Chamber of the Court of Cassation to uphold the convictions of the eight men named above;

– stating that Amnesty International will regard the eight men, if imprisoned, as prisoners of conscience punished solely for their non-violent political beliefs;

– calling on the Chief Public Prosecutor at the Court of Cassation to take urgent steps to apply to the General Penal Board of the Court of Cassation for the cancellation on substantive grounds of the verdict by the 9th Chamber of Court of Cassation of 25 December 2006;

– recalling that the case against four police officers alleged to have tortured Mehmet Desde in July 2002 continues, and that a decision of the 8th Chamber of the Court of Cassation to confirm or quash their acquittal has been pending since December 2004.