Der türkische Kulturförderer und Menschenrechtsaktivist Osman Kavala wurde im April 2022 in einem politisch motivierten Prozess zu lebenslanger Haft verurteilt. Er soll versucht haben, die Regierung zu stürzen. Nun hat das Oberste Berufungsgericht der Türkei die lebenslange Haftstrafe für Osman Kavala und die 18-jährigen Freiheitsstrafen für Çiğdem Mater, Can Atalay, Mine Özerden und Tayfun Kahraman bestätigt.
Ruth Tanner, Kampagnenleiterin für Europa bei Amnesty International, kritisierte das Urteil:
“Diese Entscheidung ist ein erschütternder politisch motivierter Rückschlag für die Menschenrechte. Für Osman Kavala mögen damit alle Rechtsmittel ausgeschöpft sein, doch unsere Kampagne für seine Freilassung und die Freilassung von Çiğdem Mater, Can Atalay, Mine Özerden und Tayfun Kahraman tritt damit in eine neue Phase ein.
Das Urteil des Berufungsgerichts entbehrt jeglicher Logik, da die Anklagebehörden durchweg nicht in der Lage waren, Beweise für die haltlosen Vorwürfe vorzulegen. Dies zeigt, dass der Gezi-Prozess einzig und allein dazu diente, unabhängige Stimmen zum Schweigen zu bringen.
Mit dieser Entscheidung hat das türkische Gericht das Schutzsystem der Europäische Menschenrechtskonvention offen untergraben und in eklatanter Weise gegen die Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte verstoßen, mit denen die Freilassung von Osman Kavala gefordert wurde.
Osman Kavala, der nächste Woche 66 Jahre alt wird, ist wegen seines Aktivismus bereits seit mehr als fünf Jahren willkürlich inhaftiert. Wir können und werden uns nicht zum Schweigen bringen lassen, sondern fordern weiterhin die umgehende Freilassung von Osman Kavala und allen anderen Personen, die im Gezi-Fall als gewaltlose politische Gefangene festgehalten werden.”
Hintergrund
Amnesty begrüßt, dass die Urteile gegen drei weitere Angeklagte – Mücella Yapıcı, Hakan Altınay und Yiğit Ali Ekmekçi – aufgehoben wurden. Ihre Anklageschrift wird an ein vorinstanzliches Gericht zurückgeschickt, damit dieses über ein Wiederaufnahmeverfahren entscheidet.
Das Ministerkomitee des Europarates hat wiederholt die Freilassung von Osman Kavala gemäß dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gefordert. Die Türkei hat dieses rechtsverbindliche Urteil bisher ignoriert und sich geweigert, ihn freizulassen. Der Fall ist daher an den Europäischen Gerichtshof zurückverwiesen worden, welcher ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet hat.