Bedrohung von Hüseyin Aygün

Amnesty International

Urgent Action

UA 36/05; ai-Index: EUR 44/006/200

15. Februar 2005

SORGE UM SICHERHEIT / DRANGSALIERUNG

Türkei: Hüseyin Aygün, 35-jähriger Rechtsanwalt und Menschenrechtsverteidiger

Der Rechtsanwalt Hüseyin Aygün ist offenbar aufgrund seines Engagements für die Menschenrechte von einem lokalen Militärkommandanten bedroht worden. amnesty international fürchtet deshalb um seine Sicherheit.

Hüseyin Aygün war früher Vorsitzender der Rechtsanwaltsvereinigung der Provinz Tünceli im Südosten der Türkei. Er setzt sich für Opfer von Menschenrechtsverletzungen wie Folter und „Verschwindenlassen“ ein. Gegenwärtig arbeitet er als rechtlicher Beistand für die Familienange­hörigen von sieben Personen, die im September 2004 im Dorf Midrik in der Provinz Tünceli „verschwunden“ sind, als dort Angehörige der türkischen Armee eine Operation durchführten. Hüseyin Aygün hat vor kurzem gemeinsam mit anderen in diesem Fall tätigen Anwälten weitere Ermittlungen diesbezüglich gefordert. Aufgrund der Bemühungen der Menschenrechtler, das öffent­liche Interesse auf diesen Fall zu lenken, ist der Sachverhalt vor kurzem von der Menschenrechts­kommission des türkischen Parlaments behandelt worden.

Am 3. Februar 2005 suchte der Kommandant der Gendarmerie (Angehörige der Armee, die in länd­lichen Gebieten Polizeiaufgaben übernehmen) einen Verwandten von Hüseyin Aygün an dessen Arbeitsplatz auf. Der Gendarmeriekommandant bezeichnete Hüseyin Aygün als „Verräter“ und „Landesfeind“ und erklärte, bald könne man sehen, „dass wir ihn diskreditieren werden“. In einem Gespräch mit Hüseyin Aygün brachte der Gendarmeriekommandant am 7. Februar 2005 ähnliche Anschuldigungen vor und sagte, man kenne ihn gut und die Gendarmerie schätze ihn sehr negativ ein. Seine Familie verhalte sich zwar korrekt, aber er selbst würde immer wieder gegen die Gendar­merie vorgehen. Der Gendarmeriekommandant räumte zwar ein, dass der Anwalt nur seine Arbeit tue, forderte ihn aber auf, diese einzustellen und sie ab jetzt anderen zu überlassen.

Am 11. Februar 2005 suchten drei Angehörige der Gendarmerie in Zivilkleidung den Rechtsanwalt auf und teilten ihm mit, der Kommandant wolle ihn erneut treffen. Als Hüseyin Aygün daraufhin den Kommandanten anrief, soll dieser versucht haben, ihn zu erpressen. Der Gendarmeriekommandant gab an, einige belastende Beweise gegen den Anwalt in der Hand zu haben. Er werde diese aber nicht an die Staatsanwaltschaft weiterleiten, wenn Hüseyin Aygün sich entsprechend verhalte und sich mit der Gendarmerie einige.

Hüseyin Aygün erklärte gegenüber amnesty international: „Wenn dieses Vorgehen gegen Menschen­rechtler eingesetzt wird, welchem Druck können dann die Bürger auf der Straße ausgesetzt werden? Der Beruf des Rechtsanwalts ist per Gesetz und durch die türkische Verfassung geschützt. Meine Tätigkeit als Rechtsanwalt liegt nicht im Zuständigkeitsbereich eines Gendarmeriekommandanten, sondern im Verantwortungsbereich der Staatsanwaltschaft und der örtlichen Anwaltsvereinigung“.

HINTERGRUNDIINFORMATIONEN

In der Türkei werden Menschenrechtler aufgrund ihres Engagements immer wieder tätlich ange­griffen, willkürlich festgenommen oder mit dem Tode bedroht. Einige Menschenrechtsverteidiger sind inhaftiert, gefoltert oder gar getötet worden.

Trotz einiger von der derzeitigen Regierung eingeleiteter rechtlicher Reformen werden Menschen­rechtler – darunter Rechtsanwälte, Mediziner, Gewerkschafter und Umweltschützer – immer wieder drangsaliert und in ihren legalen Aktivitäten behindert. Unter anderem werden häufig Gerichts­verfahren und Ermittlungen gegen Menschenrechtler eingeleitet, was eine Form der „Drangsalierung auf rechtlichem Wege“ darstellt. Im Oktober 2004 äußerte die UN-Sonderbeauftragte für Menschen­rechtsverteidiger, Hina Jilani, bei einem Besuch in der Türkei ihre Besorgnis über die Eröffnung zahl­reicher Gerichtsverfahren gegen Menschenrechtler und empfahl, alle anhängigen Fälle einer Über­prüfung zu unterziehen.

EMPFOHLENE AKTIONEN:

Schreiben Sie bitte Telefaxe, E-Mails oder Luftpostbriefe, in denen Sie
Ihre Sorge um die Sicherheit des Rechtsanwalts und Menschenrechtsverteidigers Hüseyin Aygün zum Ausdruck bringen;
fordern, dass in Abstimmung mit dem Anwalt alle erforderlichen Schritte eingeleitet werden, um seine Sicherheit zu garantieren;
die Behörden auffordern, eine umfassende und unparteiische Untersuchung der Berichte einzul­eiten, denen zufolge Gendarmerieangehörige den Rechtsanwalt bedroht haben, und darauf dringen, dass die Ergebnisse der Ermittlungen veröffentlicht und die Verantwortlichen vor Gericht gestellt werden; sich besorgt darüber zeigen, dass Hüseyin Aygün offenbar aufgrund seines Engagements für die Menschenrechte bedroht wird;
die Regierung auffordern, sicherzustellen, dass alle Behördenvertreter die Arbeit von für die Menschenrechte engagierten Bürgern anerkennen, entsprechend der UN-Erklärung zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern vom 9. Dezember 1998, die die Legitimität der Aktivitäten von Menschenrechtlern anerkennt sowie ihr Recht, ihr Engagement ohne Einschränkungen und Angst vor Repressalien fortzusetzen.

APPELLE AN:

Mr Abdulkadir Aksu, Ministry of Interior, Içişleri Bakanliği, 06644 Ankara, TÜRKEI
(Innenminister – korrekte englische Anrede: Dear Minister)
Telefax: (00 90) 312 418 1795

KOPIEN AN:

Mr Abdullah Gül, Foreign Minister and State Minister for Human Rights, Office of the Prime
Minister, Basbakanlik, 06573 Ankara, TÜRKEI (Außenminister – korrekte englische Anrede: Dear Minister)

Botschaft der Republik Türkei, Rungestraße 9, 10179 Berlin
(S. E. Herrn Mehmet Ali Irtemcelik)
Telefax: 030-2759 0915
E-Mail: turk.em.berlin@t-online.de

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 29. März 2005 keine Appelle mehr zu verschicken.

RECOMMENDED ACTION:
Please send appeals to arrive as quickly as possible, in English or your own language:
– expressing concern for the safety of lawyer and human rights defender Hüseyin Aygün;
– calling for immediate steps to be taken to guarantee his safety, in accordance with his wishes;
– urging the authorities to conduct a full and impartial investigation into allegations that gendarmerie officers have threatened the lawyer, for the results to be made public and for those responsible to be brought to justice;
– expressing concern that Hüseyin Aygün appears to have been threatened as a result of his activities in defence of human rights;
– calling on the authorities to take effective action to ensure all public servants recognize the legitimacy of the work of human rights defenders, in line with the UN Declaration on the Rights and Responsibilities of Individuals, Groups and Institutions to Promote and Protect Universally Recognized Human Rights and Fundamental Liberties, which recognizes the legitimacy of the activities of human rights defenders and their right to carry out their activities without any restrictions or fear of reprisals.