Der politisch motivierte Prozess gegen den Kulturförderer und Menschenrechtsaktivisten Osman Kavala geht am Montag (21.03.) in Istanbul weiter. Amnesty International fordert die sofortige Freilassung des 64-Jährigen. Bisher weigert sich die türkische Justiz auch weiterhin, einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu folgen und Kavala freizulassen.
Zum bevorstehenden nächsten Prozesstag gegen Osman Kavala sagt Amke Dietert, Türkei-Expertin bei Amnesty International in Deutschland:
“Das Verfahren gegen Osman Kavala zeigt seit Beginn seiner Untersuchungshaft im November 2017, wie schlecht es um die Rechtsstaatlichkeit in der Türkei gestellt ist. Vollkommen willkürlich geht die Justiz gegen einen der wichtigsten Kulturförderer des Landes vor. Erst wurde Kavala als angeblicher Verantwortlicher für die friedlichen Gezi-Proteste angeklagt. Nachdem er in diesem Verfahren Anfang 2020 freigesprochen wurde, zauberte die Staatsanwaltschaft die aktuelle Anklage wegen angeblicher Beteiligung an dem Putschversuch 2016 aus dem Hut. Wie bei einem schlechten Taschenspielertrick greift die türkische Justiz hier auf aus der Luft gegriffene Vorwürfe zurück. Belege für irgendeine wie auch immer geartete Beteiligung Kavalas legt sie nicht vor.”
“Neben Osman Kavala droht auch Mücella Yapıcı, Vorstandsmitglied der Istanbuler Architektenkammer, erschwerte lebenslange Haft. Wegen ‘Beihilfe zum gewaltsamen Staatsumsturz’ sehen sechs weitere Angeklagte zwischen 15 und 20 Jahren Gefängnis entgegen. Amnesty International fordert die sofortige Freilassung Kavalas und ein Ende der politisch motivierten Strafverfolgung für alle Angeklagten dieses Prozesses.”
Hintergrund:
Osman Kavala befindet sich seit dem 1. November 2017 in Untersuchungshaft. Ihm war zuerst vorgeworfen worden, die Gezi-Proteste in Istanbul 2013 orchestriert zu haben. Nachdem er in diesem Prozess Anfang 2020 freigesprochen wurde, schloss sich eine neue Anklage wegen der angeblichen Beteiligung an dem Putschversuch 2016 an. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat in beiden Verfahren die sofortige Freilassung Kavalas gefordert: Es fehle an Beweisen, die Vorwürfe seien nicht neu und die Untersuchungshaft daher ungerechtfertigt.
Seit dem vergangenen Dezember läuft ein Vertragsverletzungsverfahren des Ministerkomitees des Europarats gegen die Türkei, weil die sich weigert, das verbindliche Urteil des EGMR umzusetzen und Kavala aus der Haft zu entlassen.
Eine Verurteilung zu “erschwerter lebenslanger Haft” bedeutet Haftvollzug bis zum Tod. Hinzu kommen weitgehende Isolation des Gefangenen, erlaubt wären nur Besuche von Verwandten und unter Umständen mal Hofgang mit anderen Gefangenen.