Freisprüche für Amnesty-Vertreter*innen in der Türkei

Vier Personen, zwei Frauen und zwei Männer, halten sich Arm in Arm und blicken lächelnd in die Kamera. Im Hintergrund ist ein Platz zu sehen, auf dem Polizei-Absperrungen platziert sind.

Taner Kılıç (r.), Ehrenvorsitzender von Amnesty International in der Türkei, mit seiner Familie nach seinem letzten Gerichtstermin am 6. Juni 2023 vor dem Gerichtsgebäude in Istanbul © Amnesty Türkiye (Link auf amnesty.de)

Die Amnesty-Vertreter*innen Taner Kılıç, İdil Eser, Günal Kurşun und Özlem Dalkıran wurden heute von einem Gericht in Istanbul freigesprochen. Die lange überfällige Entscheidung des Gerichts ist eine große Erleichterung, verdeutlicht aber auch den politisch motivierten Charakter der Verfolgungen.

Ein Gericht in Istanbul hat heute die Urteile gegen den Amnesty-Ehrenvorsitzende Taner Kılıç, die ehemalige Amnesty-Direktorin İdil Eser sowie die langjährigen Amnesty-Mitglieder Günal Kurşun und Özlem Dalkıran aufgehoben. Amnesty International begrüßt diese Entscheidung als lange überfälligen Schritt. Die Menschenrechtsverteidiger*innen hätten nie angeklagt oder inhaftiert werden dürfen. Alle Vorwürfe gegen sie sind konstruiert und wurden vor Gericht widerlegt.

Elf Menschenrechtsverteidiger*innen wurden im Sommer 2017 unter absurden “Terrorismus”-Vorwürfen festgenommen. Im Oktober 2017 begann der Prozess gegen Taner Kılıç und die als Istanbul 10 bekannt gewordenen Menschenrechtler*innen. Acht der Menschenrechtsverteidiger*innen, darunter İdil Eser, Günal Kurşun, Özlem Dalkıran und der deutsche Menschenrechtstrainer Peter Steudtner, saßen fast vier Monate in Untersuchungshaft. Taner Kılıç verbrachte über 14 Monate in Untersuchungshaft.

Im Verlauf des Prozesses wurden die “Terrorismus”-Vorwürfe gegen die elf Angeklagten umfassend widerlegt, sogar durch eigene Beweise der türkischen Behörden. Trotzdem verurteilte ein Strafgericht in Istanbul Taner Kılıç am 3. Juli 2020 zu sechs Jahren und drei Monaten Haft wegen der “Mitgliedschaft in einer Terrororganisation”. Die ehemalige türkische Amnesty-Direktorin İdil Eser sowie die langjährigen Amnesty-Mitglieder Özlem Dalkıran und Günal Kurşun wurden zu zwei Jahren und einem Monat Haft wegen der “Unterstützung einer Terrororganisation” verurteilt. Der deutsche Menschenrechtstrainer Peter Steudtner und sechs weitere angeklagte Menschenrechtsverteidiger*innen wurden freigesprochen.

Das Bild zeigt eine Collage mit mehreren Portätfotos

Setzen sich für die Menschenrechte ein und gerieten deshalb ins Visier der türkischen Behörden: Özlem Dalkıran, Taner Kılıç, İdil Eser und Günal Kurşun (v.l.n.r.). © privat (Link auf amnesty.de)

Im Mai 2022 entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, dass die Untersuchungshaft von Taner Kılıç rechtswidrig und willkürlich war und ebenso wie das Strafverfahren gegen ihn unmittelbar mit seiner Tätigkeit als Menschenrechtsverteidiger zusammenhängt.

Im November 2022 hob das Oberste Berufungsgericht der Türkei die Urteile gegen Taner Kılıç, İdil Eser, Günal Kurşun und Özlem Dalkıran auf. Heute schloss sich das Gericht in Istanbul dieser Entscheidung an und sprach die vier Menschenrechtsverteidiger*innen frei. Eine internationale Amnesty-Delegation, darunter auch der Vorstandssprecher von Amnesty International in Deutschland Wassily Nemitz, hat den Prozess vor Ort beobachtet.

Das Verfahren steht exemplarisch für die systematische Verfolgung der Zivilgesellschaft durch die türkische Regierung. Die Justiz in der Türkei wird seit Jahren instrumentalisiert, um kritische Stimmen einzuschüchtern und mundtot zu machen. Menschenrechtsverteidiger*innen, Oppositionelle und Journalist*innen sitzen in Haft oder müssen sich in absurden Verfahren vor Gericht verantworten. Amnesty International steht weiter an der Seite der Zivilgesellschaft in der Türkei.